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Seattle, USA Nordwesten

Reisebericht

von Jana Silver, Fotos: Julius Silver

Der Amerikanische Nordwesten gilt unter den Kennern als eine der spannendsten Ecken der USA, die viel zu bieten hat und doch einem Europäer ziemlich unbekannt zu sein scheint. Unsere Reise fängt an der Nordküste Kaliforniens, in San Francisco, an und führt der Küste entlang nach Norden, über die Bundesstaaten Oregon und Washington nach Seattle.
Die Sonne begleitet uns auf dem ersten Abschnitt unserer Reise. Die geschäumten Pazifikwellen rollen an die Küste, begleitet von kreischenden Möwen. Die kalifornische Highway 1 heißt auf diesem 53 km langen Abschnitt „Avenue of the Giants“, hier wachsen die größten Redwoods der Welt, die über 100 Meter hoch und bis zu 2500 Jahre alt sind. Die Coast Redwoods sind die höher wachsenden Verwandten der in Sierra Nevada wachsenden

Sequoias, die wiederum einen größeren Stammumfang aufweisen. Von der Küstenstraße gibt es mehrere Zufahrten zu den schönen Pazifik-Stränden mit vielen Wanderwegen. Ein idealer Platz für einen Picknick. Die Strände hier sind beinahe menschenleer, hier und da taucht ein Spaziergänger mit herumtollendem Hund auf. Wir breiten unsere Decke auf dem von der Sonne erhitzten Sand aus und packen unser Reiseproviant aus. Die frische Brise vom Pazifik bietet angenehme Abkühlung. Nach dem Essen ist eine kleine Siesta angesagt. Wir haben einige Stunden Fahrt hinter uns und genießen deshalb diesen idyllischen Zwischenstopp. Als ich die Augen aufmache, sind glatt zwei Stunden verstrichen, was wir gar nicht glauben können und wir brechen auf in Richtung Norden.

Am nächsten Tag ist in der Früh ist die gesamte Pazifikküste im dichten, vom Pazifik kommenden Nebel verhüllt. An Oregons Küste türmen sich bis zu 120 Meter hohe Sanddünen auf. Oregon Dunes National Recreation Area heißt dieser 70 km langer und etwa 4 km breiter Küstenstreifen (eine Art der Mini-Wüste), der übrigens mit geländetauglichen allradbetriebenen Dünenfahrzeugen befahrbar ist (wer Zeit genug hat, sollte es unbedingt ausprobieren). Eine prächtige Aussicht bietet sich vom Oregon Dunes Overlook, etwa 15 km nördlich von Reedsport. Hier unternehmen wir einen ausgedehnten Spaziergang, der sich letztendlich über mehrere Stunden erstreckt, schließlich hat uns der alte Ranger, der uns unbedingt begleiten will und bereit ist unendlich viele Fragen über die Flora und Fauna dieser Region zu beantworten, Gesellschaft geleistet. Am Weg hat sich uns

eine typisch amerikanische Familie mit drei Bilderbuch-Kids und einem Hund angeschlossen. Sie sehen so aus, wie aus einem Film, am besten würde man ihn „Die perfekte Familie“ nennen, so einen Eindruck haben sie bei uns hinterlassen. Da die Amerikaner im Allgemeinen sehr kontaktfreudig sind, ist es verständlich, daß wir erst nach einigen Stunden zu unserem Auto zurückkehren. Daß so ein Spaziergang in den Sanddünen unendlich viel Spaß machen kann, habe ich spätestens dann bemerkt, als ich ausgerutscht bin und den Dünenhang heruntergerollt bin (was mir die Bilderbuch-Kids samt dem Hund nachgemacht haben und wir schließlich unten an einem Haufen, vor Lachen kugelnd und den Sand ausspuckend gelegen sind). Meine Kleidung, Schuhe und Haare waren zwar voll Sand, aber die großartigen Ausblicke haben alles wieder wettgemacht. Das war es einfach wert.

Als wir bei Reedsport eine kurze Mittagspause einlegen, können wir bei der Nebenstraße SR 38 eine ganze Herde von stattlichen Elchen beobachten, die sich das saftig grüne Gras schmecken lassen ohne im Geringsten durch unsere Anwesenheit gestört zu sein. Nach dem Essen fahren wir weiter nach Norden auf der Highway 101, die sich der Küste entgegenschlängelt, vorbei an Hängen voller lila und blauen Rittersporne und weiten Sandbuchten, an die in mächtiger Brandung Pazifik rollt. Je mehr wir nach Norden kommen, umso spektakulärer wird die Szenerie und unbeständiger das Wetter. An den Stellen, wo die Berge in der Nähe der Küste liegen, stauen sich die Wolken und immer wieder fallen dicht die Regentropfen. An Schwimmen ist im kalten Pazifik natürlich nicht zu denken. Nördlich von Florence entdecken wir Sea Lion Caves, eine riesige Meereshöhle, wo man das ganze Jahr über Hunderte von Steller-Seelöwen beobachten kann, die sich entweder am Ufer oder in der Höhle aufhalten. Etwas weiter nördlich steht an der steilen Küste ein malerischer Leuchtturm - Heceta Head Lighthouse.
Der Dunst glitzert in der Sonne, die sich langsam aus dem Dunstvorhang durchkämpft, als wir am Cannon Beach ankommen. Die aus dem Meer herausragende Felsen am spektakulären Cannon Beach inspirierten schon viele Künstler, weshalb Cannon Beach zu einer echten Künstlerkolonie geworden ist. Eine sandige Bucht, umrahmt von Holzhäuschen, davor ein gewaltiger Fels, der rund 70 m hohe Haystack Rock, der insbesondere beim Sonnenuntergang für

malerische Fotoaufnahmen sorgt. Die schönsten Aussichten über die wild zerklüftete Küste am Nordrand von Seaside, Oregons ältestem und größtem Seebad, bieten sich vom Ecola Park, wo sich von einem etwa 10 km langen Wanderweg immer wieder neue begeisterungserregende Panorama-Ausblicke eröffnen. Ein kleines Sträßchen mit atemraubenden Aussichten windet sich über die Klippen hoch über dem Pazifik. Ende Mai/Anfang Juni findet übrigens am Cannon Beach ein Wettbewerb im Sandburgenbauen, hat uns die amerikanische Bilderbuch-Familie verraten. Idyllische Inselimpressionen begleiten unsere Weiterfahrt der Küste entlang. Vormittags drängen oft die Nebelschwaden vom Ozean heran, die sich gegen Mittag langsam auflösen, sodaß man am Nachmittag einen ungetrübten Ausblick auf die atemraubende Küstenszenerie, wo die Brandung gegen zerklüftete Sand- steinklippen donnert, voll genießen kann.
Die gesamte Pazifik-Küste zwischen dem Süden Oregons und dem Norden British Columbias ist „Whalewatching country“. Vom Dezember bis Mai kann man sogar von Land aus an vielen Aussichtspunkten die Wanderung der Grauwale beobachten. Nur Anfang des Jahres bekommt man sie nicht zu Gesicht, da die riesigen Meeressäuger um den Jahreswechsel zur Paarung und zur Geburt der Jungen in die Buchten an Mexikos Küste ziehen. Ende März kehren sie zurück, Mütter mit Jungen folgen oft erst zwei Monate später. Leider bleibt uns für Begegnungen dieser Art keine Zeit mehr übrig.

Am nächsten Tag besuchen wir den Olympic Nationalpark. Seit 1938 steht die wilde, regenreiche Olympic Peninsula Halbinsel mit Urwäldern und vergletscherten Gipfeln unter Naturschutz. Der Olympic National Park birgt auf relativ kleinem Raum extreme Kontraste und urweltliche Schönheit. An der Hurricane Ridge im Norden des Olympic Nationalparks wartet eine hochalpine Welt auf, mit Gletschern und Wiesen voller Wildblumen, rund um den vergletscherten, 2428 Meter hohen Mt.Olympus. An der Westseite der Halbinsel, wo sich die Pazifikwolken abregnen, in den Tälern der Flüsse Quinault, Quits und Hoh River, wachsen geheimnisvoll düstere Urwälder, die kalten Regenwälder der gemäßigten Breiten, so einzigartig, daß die Vereinten Nationen dieses Gebiet zum internationalen Biosphären-Reservat erklärten. Die hochragenden Berge schützen dieses Gebiet vor den Wettereinflüssen von der Ostseite. Da der Nebel von Pazifik durch dieses Hochgebirge nicht weiter in das

Landesinnere durchdringen kann, bleibt der Nebel in diesem Gebiet „gefangen“, weshalb hier auch die meisten Niederschläge fallen. Das ist die Erklärung für die Entstehung dieser Regenwälder. Die sturmumtoste Westküste, vor deren treibholzgesäumten Stränden bizarre Felsenformationen aus der Brandung ragen, ist die regenreichste Region der USA außerhalb Alaskas und Hawaiis, im Regenschatten an der Ostseite fällt jedoch nur ein Bruchteil der Niederschläge. Nirgendwo sonst gibt es diese Art von Märchenwälder, so üppig bewachsen mit Moose, Farne und Flechten, wie im Hoh Rain Forest. Hier findet man dank der ständigen Feuchtigkeit und des Regens Grün in allen seinen Schattierungen. Bewunderbar ist diese spektakuläre Schönheit am besten vom Hall of Moses Trail, der ein Teil des Hoh Rain Forest durchquert (wenn es hier nur nicht so viel regnen würde, aber was erwartet man sonst in einem Regen-Wald?)

Am Mount St.Helen National Volcanic Monument erwarten uns Dimensionen der Vernichtung, die kaum zu fassen sind. Auch über 20 Jahren nach dem großen Knall am 18.Mai 1980, als er in einer gewaltigen Explosion seine Spitze verlor, ist die Katastrophe noch so gegenwärtig, als hätte sie sich gerade erst ereignet. Einer der Aussichtspunkte, von dem das Ausmaß der Zerstörung sichtbar ist, ist Windy Ridge, etwa 6 km vom Vulkan entfernt, ein beeindruckender Übergang von intaktem Wald, über nachwachsende Baumvegetation bis zur vollkommen verwüsteten Gipfelregion. Von den großen Nadelbäumen, die hier einst wuchsen, sind nur zersplitterte Stümpfe übergeblieben. Ein Glutorkan, der mit einer Geschwindigkeit von 1000 Kilometern pro Stunde (!) über Berg und Tal raste, hat die Stämme weggefegt. Die Wucht der mehrere Hunderte Grad heißen Druckwelle traf alle überraschend. Noch in über 20 km Entfernung kamen Menschen ums Leben, 57 insgesamt. Die Aschewolke stieg 21 km hoch auf, der Berg selbst hatte 400 Meter an Höhe verloren. Für die Menschen im Nordwesten der USA bedeutete der Ausbruch des Mount St.Helens das Ende der Illusion, daß sie sich über drohende Naturkatastrophen kaum Gedanken machen zu brauchen. Neben weiteren, vielleicht noch viel schlimmeren Explosionen als am Mount St.Helens, sind hier verheerende Schlammströme zu erwarten und das

schon bei relativ geringen vulkanischen Anlässen, außerdem wurde in diesem Gebiet ein Mega-Erdbeben mit der Stärke 9 auf der Richterskala vorhergesagt, sowie die Tsunami-Wellen, die sich plötzlich vor der Pazifikküste erheben und beim Landgang mit der Wucht ungeheurer Wassermassen alles zerstören, was ihnen in die Wege kommt. Die geologischen Untersuchungen ergaben, dass sich in der Vergangenheit in diesem Gebiet noch viel gewaltigere Eruptionen als am Mount St.Helens ereignet haben und sich solche auch in Zukunft wieder ereignen können. Schon kleinere Ausbrüche können verheerende Folgen haben. Wenn die Gletscher an den Bergflanken schmelzen, rasen Schlammlawinen viele Kilometer weit. Von oben ist der Ausblick furchterregend: Direkt vor uns öffnet sich der gigantische Krater, kleine Rauchfahnen steigen auf. In seiner Mitte wächst ein neuer Lavakegel, der abgesprengte Gipfel wächst eben nach, bis zur nächsten Eruption. Es ähnelt einer leblosen Mondlandschaft. Im Visitor Center dokumentiert ein Film mit Originalaufnahmen und Computeranimation dieses Naturereignis. Auf dem Spirit Lake, unterhalb von Windy Ridge treiben seit dem Vulkanausbruch unzählige Baumstämme. Der kurze Wanderweg zum kleinen Meta Lake führt an dem rostigen Miner´s Car vorbei, dessen Fahrer von der Eruption im Jahr 1980 überrascht wurde.

Weiter nördlich klettert in weiten Schwüngen die Straße die waldbewachsenen Flanken des Mt.Rainier hinauf, dessen schneebedeckter zuckerhutähnlicher Gipfel, wenn er nicht gerade wieder einmal in Wolken verhüllt ist, weithin die Blicke auf sich zieht. 4392 Meter misst der höchste Berg des Nordwestens und der zweitgrößte der Kontinental-USA, der zur vergletscherten Kette von Vulkanen (genannt auch „Ring of Fire“) die sich entlang der Cascade Range emporheben, gehört. Vom zerklüfteten Gipfel, der wegen der aufsteigenden Hitze aus dem Berginneren am östlichen Kraterrand teilweise schneefrei ist, ziehen sich die Gletscher talabwärts. Obwohl der Vulkan Mt.Rainier seit über 100 Jahren ruht, ist er keineswegs erloschen. In seinem Umkreis haben Geologen die Spuren von einigen mächtigen Schlammlawinen aus den letzten Jahrtausenden entdeckt.
Der erste

Anlaufpunkt ist das in einer Höhe von 2000 Meter liegende Sunrise Visitor Center, der höchste mit dem Auto erreichbare Punkt im Park. Von hier aus bietet sich ungestörte Sicht auf die vergletscherte Ostseite des Mt.Rainiers mit dem Emmons Glacier und dem Trail zum Frozen Lake. Ebenfalls exzellentes Panorama bietet sich vom Chinhook Pass aus dem Highway 410, Richtung Yakima. In Paradise finden wir das nächste Visitor Center, hier kann man wandern in hochalpiner Umgebung, Schnee liegt hier bis weit in den Sommer hinein. Wonderland Trail heißt der längste Wanderweg mit einer Länge von 148 km rund um das Bergmassiv des Mt.Rainier, der an den Flüssen, Wasserfällen, Seen und Gletschern vorbeiführt. Eine Genehmigung vom Ranger (Permit) sowie eine Anmeldung im Visitor Center ist für diese Wanderung notwendig. Leider ist unsere Zeit zu knapp und das Wetter spielt auch nicht gerade mit.

An einem wunderschönen sonnigen Nachmittag erreichen wir Seattle. Obwohl hier über 300 Tage im Jahr regnet, haben wir ein seltenes Glück und genießen drei Tage vollen Sonnenschein, es klingt fast unglaublich, denn Seattle im Sonnenschein zu erleben grenzt beinahe an einem Wunder...( man sollte doch nicht so oft den Film „Schlaflos in Seattle anschauen, wenn man nicht dem Glauben verfallen will, dass es hier ununterbrochen in Strömen regnet).
Seattle hat sich im Laufe der Zeit zum Wunschquartier von Millionen Amerikaner gemausert. In Amerika oft „Boomtown of Northwest“ genannt, steht die Metropole des Nordwestens der USA an der Spitze der Wohn-Wunschliste und wurde nicht umsonst zur lebenswertesten Stadt der USA gekürt. Seattle ist nach einer Statistik auch die landesweite Nummer eins im Business, die Stadt der großen Deals. Es ist zum mächtigsten Wirtschaftszentrum der USA geworden. Eine Stadt groß im Kommen. Die Touristen fangen gerade erst an, sie zu entdecken. Was mir unheimlich gut gefällt, die Intersatte 5 führt mitten durchs Zentrum,

Sie können sich also schon bei der Anreise einen guten Überblick über die Metropole verschaffen (im Zentrum den Alaskan Way Viadukt nehmen!) und dabei noch wundervolle Ausblicke genießen. Selbstverständlich ist die I 5 in den rush hours zu meiden, oder Sie können die umwerfende Aussicht unendlich lang genießen. (Falls es zufällig nicht regnet und Sie gerade Zeit genug haben ist dagegen selbstverständlich nichts einzuwenden). Ein Paar Minuten später landen wir auf der Waterfront, wo man auf der Terrasse einer der vielen Fischbars gemütlich sitzen kann, an Meeresspezialitäten schlemmen und das Treiben in Elliot Bay entspannt beobachten. Die riesigen Überseeschiffe sind wahre Kolosse, da würde sogar unser Wohnhaus reinpassen, wetten? Das Wasser ist wunderschön tiefblau und für einen Hafen unglaublich rein. Bald fährt ein haushohes Frachtschiff dicht an uns vorbei und wir kommen uns neben dem Schiff als Ameisen vor, als wir zu ihm aufschauen. Das sind unglaubliche Dimensionen und wir rätseln schon, was mag so ein Riesenschiff beherbergen?

Pioneer Square ist ein historisches Viertel mit vielen Kunst- und Antiquitätenläden, Bars Nightclubs und guten Restaurants, in denen man es sich schmecken lassen kann. Die neue kalifornische Cuisine beinhaltet nämlich – kreativ gemixt – die Rezepte aus Ost und West. Das kulinarische Wahrzeichen des Nordwestens ist der riesige Pazifik-Krebs, eine begehrte Meeresspezialität. Dampfend kommt er frisch aus dem Kochtopf auf den Tisch, dazu etwas Salat und zerlassene Butter und fertig ist der kulinarische Hochgenuß. Von hier stammt auch eine Reihe weiterer Spezialitäten wie etwa: Krebsfleisch-Küchlein mit Ingwergemüse, Heilbuttschnitte im Haselnussmantel, kräftig gewürzte Fisch-Tacos oder Linguine mit Waldpilzen und Räucherlachs.
Das Zentrum ist um Pike Place Market, einem bunten Labyrinth aus Verkaufsständer, Imbissbuden, winzigen Läden und originellem Fischmarkt, gebildet. Die Shopping Malls und die Boutiquen häufen sich um die Pine Street. Vom Westlake Center fährt die Monorail - eine Hochbahn – zum Seattle Center. Im Jahr 1962 fand hier die Weltausstellung statt, seither ist das Gelände ein Kulturzentrum mit Oper, Theatern und Museen. Ein Wahrzeichen der Stadt ist die etwa 185 Meter hohe Space Needle, auf deren Aussichtsplattform uns die Stadt wie eine Postkartenansicht vor Augen liegt (bei guter Sicht auch

mit dem Schneegipfel des Mt.Rainiers im Hintergrund). Die Aussicht ist einfach gigantisch. Für 9 Dollar wird man in einigen Sekunden zum Observations-Deck hinaufkatapultiert. Der eindeutig ultimative Blick auf die Stadt bietet sich vom Kerry Park - ein Geheimtipp von mir, der schönste Platz in Seattle überhaupt, da könnte man stundenlang sitzen und die Aussicht genießen, außerdem ist Queen Anne Hill das schönste und natürlich auch das beste (San Francisco-ähnliche und hügelige) Wohnviertel Seattles, das man einmal sieht und man dann den Wunsch hat, nie mehr von hier wegzugehen. (übrigens ist der Kerry-Park so winzig, daß man ihn kaum auf einer Karte findet, ein guter Orientierungspunkt ist hier Space Needle). Besonders beim Sonnenuntergang, als die Sonne die Wolkenkratzer in einem goldenen Schimmer leuchten lässt, wird es zu einem unvergesslichen Erlebnis. Mit etwas Glück (das heißt bei guter Sicht) auch mit Mt.Rainier im Hintergrund. Wem der Ausblick trotzdem nicht reicht, kann mit einem der Wasserflugzeuge der kleinen „Kenmore Air“ - Flotte ein dreiviertelstündiger Flug mit Super-Perspektive auf die Inselwelt in den klaren Gewässern der malerischen Fjordlandschaft des Puget Sounds (wie z.B. die San Juan Islands) unternehmen. (Beim Starten machen sie unglaublich viel Lärm, aber von Wasserflugzeugen bin ich nun mal fasziniert)

Seattle ist unter anderem Heimat einiger kreativen und risikobereiten Unternehmern, die es weit gebracht haben und ihre Ideen unsere Kultur und eigentlich der ganze Lebensstil markant beeinflusst haben. Einer von ihnen war Bill Boeing. Seine Firma produziert heute rund 50 Prozent aller Passagierflugzeuge der Welt, macht jährlich 56 Milliarden Dollar Umsatz und beschäftigt allein hier – als größter Arbeitgeber Seattles – 93000 Mitarbeiter. Einer seinen Nachfolger, Bill Allen, ließ die Jumbo-Jets entwickeln. Das Boeing-Werk ist heutzutage so groß, daß er Mitbewerber, wie zum Beispiel McDonnel Douglas, einfach schluckt, sodaß ihm heute als einziger Konkurrent auf dem Weltmarkt die europäische Airbus-Industrie übriggeblieben ist. Der Mega-Konzern entwickelt sich zum größten Raumfahrt-Unternehmen der Welt. (Ein weiterer Geheimtipp von mir – die Boeing Werke in Everett sind unbedingt zu besichtigen – einmalig, riesig und faszinierend, kurze Zusammenfassung der Besichtigung: unendlich viele riesige Montagehallen (es steht hier übrigens auch die größte Flugzeug-Montagehalle der Welt), in denen nagelneue Flugzeuge gebaut werden, alle noch in einheitlichem Weiß lackiert. Hier werden die neugebauten Flugzeuge auch getestet und probegeflogen, es gibt hier eine firmeneigene Landebahn. Also wenn Sie am Himmel ein Flugzeug besichtigen, der interessanterweise

keiner der Fluglinien anzuhören scheint, handelt es sich um den ersten Probeflug eines Boeings).
Der Software-Gigant Microsoft, das führende Software-Unternehmen der Welt, mit seinem Marktwert von 400 Milliarden Dollar, wurde ebenfalls in Seattle gegründet. Die Firma Microsoft ist ebenfalls einer Besichtigung wert, sie ist gebettet inmitten einer riesigen großartig angelegten, überaus idyllischen Gartenanlage, mit grünen Wäldchen und Bächen, geräumigen Rasenflächen und kleinen Seen, auf denen Wildenten schwimmen. Selbstverständlich fehlen auch keine Sportplätze für die hiesigen Fans von Baseball oder Basketball. (Ob die Mittagspause für diese Freizeitaktivitäten wohl reicht?) Übrigens hat Microsoft auf dem Gelände firmeneigenes Microsoft-Museum, in dem alle Produkte ausgestellt sind, die Firma Microsoft seit ihrer Gründung auf den Markt gebracht hat. Die geräumigen Büros haben keine Fenster(!), die Ablenkungsgefahr wäre zu groß. Es werden ständig neue Komplexe dazugebaut, die Firma wächst ununterbrochen und kommt mit dem Bau der neuen Komplexe kaum nach. Pro Woche erhält Microsoft etwa 2400 Bewerbungen von potentiellen Microsofties und pro Tag werden etwa 12 neue Mitarbeiter eingestellt (!) – dies nur um sich das Wachstum dieses Software-Riesen anschaulicher zu machen.

Der nächste bedeutende Mann Seattles, Craig McCaw, der Amerikas größtes Mobilnetz aufgebaut hat und es für 12,6 Milliarden Dollar an das Telefonimperium AT&T verkaufte ist inzwischen Chef von Teledesic, einer Firma, die Hunderte Satelliten ins All befördern will, um weltweit drahtlosen Internetzugang anzubieten. Eine Geschäftsidee für die Zukunft.
Weiter zu erwähnen wären noch etwa Amazon.com, der größte Online-Buchhändler der Welt, mit dem Marktwert von rund einer Milliarde Dollar, der auch in Seattle etabliert ist oder die Kaffee-Kette Starbucks, die sich aus einem kleinen Eckkaffee am Pike Place Market zur Multi-Millionen-Dollar Kette mit nahezu 2000 Coffeeshops entwickelt hat. Bei Starbucks kann man übrigens nett frühstücken. Der Bohnenkaffee ist hier aber alles andere als billig (500 Gramm kosten etwa 7 Dollar!)
Seattle ist zweifelsohne eine Stadt mit dem Sportgeist. Diese Sportbegeisterung kommt vor allem am Wochenende in solchen Maßen zum Vorschein, die einem Europäer beinahe rätselhaft vorkommen (die Amerikaner sind auch im Allgemeinen viel sportbewußter als die Europäer). Alles, was Beine hat, radelt, skatet, joggt oder segelt und das mitten in der Stadt! Ganze Kolonnen von Inline-Skater düsen an uns in einem Wahnsinnstempo vorbei, sodaß wir uns hier nur zu Fuß unterwegs einfach verdächtig vorkommen. Mit Bedauern denke ich an meinen daheim im Gartenhaus abgestellten Mountainbike. Na ja, radeln kann man daheim ebenso gut wie hier, wollen wir uns doch einem interessanteren Zeitvertrieb zuwenden, zum Beispiel: Wo geht’s hier zum Shopping? Und by the way, shoppen kann man in Seattle bis zum Umfallen. Liebe Kreditkarte, verzeih es mir, bitte.
Als wir am Abend nach dem herrlichen und warmen Sonnentag im Hotel ankommen, laufen im Fernsehen an der Rezeption gerade die aktuellen Nachrichten. Ein

Schneesturm in Kirkland (Bundesstaat Washington), ist die Überschrift der Hotlines. Auf den Aufnahmen ist alles schneebedeckt und überall herrscht Verkehrschaos. Es muß ziemlich weit weg von hier gewesen sein, denke ich mir mal so und schließlich frage ich den Hotelangestellten, wo Kirkland eigentlich liegt, worauf er eine Handbewegung macht mit einem einfachen Kommentar „over there“, was in etwa so viel heißt wie „da drüben“. Wie sich herausstellt, war es wirklich „da drüben“, am andren Ende von Seattle, etwa 20 km von unserem Hotel entfernt. Ich bin ziemlich geschockt und kann das immer noch nicht glauben, wir hatten doch einen wunderschönen Sommertag gehabt und 20 km weiter entfernt gab es einen Schneesturm! Wie der Hotelangestellte weiter erklärt, nachdem mein erstaunter Gesichtsausdruck unverändert bleibt, sei es hier völlig normal, das Wetter treibt so seine Spiele, an einem Ende von Seattle ist eben Sommer und gleichzeitig auf dem anderen Winter. Es hat so manchen Vorteil, wollen Sie schifahren, brauchen Sie gar nicht so weite Strecke zu einem Schigebiet zurücklegen, schneebedeckte Vulkane (statt dem Ausdruck „Hausberge“, verwendet er eine Bezeichnung „Hausvulkane“ – was ich sehr lustig finde) gibt es in der Gegend genug und wenn noch ein bißchen Neuschnee fällt, sind die Schibedingungen sogar in Seattle nahezu ideal. Wollen Sie am nächsten Tag schwimmen, kein Problem, Sie brauchen nur an das andere Ende von Seattle zu fahren und schon können Sie einen warmen Sonnentag genießen. Jetzt kann ich mein Lachen aber nicht mehr aufhalten, die Seattler nehmen einfach alles mit Humor. Danach kriege ich von Robin noch eine Visitenkarte mit dem Kommentar, wir sollen bald wiederkommen, es ist doch so ein idealer Urlaubsort, wir können uns sogar das Wetter aussuchen, das uns gerade so paßt, na dann...

Auf der Rückfahrt nach San Francisco machen wir noch einen Abstecher zum Crater Lake, einem 10 km langen und fast 600 Meter tiefen Kratersee im Süden Oregons (übrigens ist Crater Lake der tiefste See der USA überhaupt), der auch auf einem Vulkanstumpf liegt. Der Mount Mazama, der hier einst ragte, ist vor etwa 7000 Jahren bei einer gewaltigen Vulkaneruption explodiert und mindestens 40 Kubikmeter Gestein sind dabei durch die Luft geschleudert worden. Von dem 3600 Meter hohem Gipfel ist nur noch ein Stumpf geblieben. Von der 53 km langen Rim Drive, einer Aussichtsstraße rund um den tiefblauen Crater Lake bieten sich immer wieder

atemraubende Ausblicke, vor allem auf das beim Westufer liegende winzige Inselchen Wizard Island (das in Wirklichkeit ein Minivulkan ist!). Von dem Seeufer beim Cletwood Trail starten die zweistündigen Bootsrundfahrten, inklusive Zwischenstopp und Wanderung auf Wizard Island.
Leider vergeht die Zeit wie im Flug und unsere Rundreise ist bald zu Ende. Zusammengefasst hatte unser Urlaub nur einen einzigen Fehler: dass wir auf allen diesen wunderschönen Plätzen nicht etwas länger bleiben konnten, denn beide Bundesstaaten Oregon und Washington gehören zu den sehenswertesten des Landes.