logooben.jpg, 22kB
 

Am Fuß des Großglockners (Osttirol)

von Jana, Fotos von Julius Silver

Dieses Reisebericht wurde veröffentlicht in Reisemagazin "Tours"



     Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Osttirol zu den schönsten Flecken Österreichs gehört. Für viele ist aber dieser Teil südlich der Hohen Tauern noch unbekannt. Dabei besitzt Osttirol eine wunderschöne Natur- landschaft mit höchsten Bergen Öster- reichs (Großglockner, Großvenediger) und bietet rund 250 Kilometer bestens markierter und beschilderter Wander- wege bis über 3.000 m Höhe mit 11 bewirtschafteten Schutzhüten mit Übernachtungsmöglichkeiten. In der letzten Zeit zieht er immer mehr Tou- risten an, um seine Naturschönheiten zu entdecken und das zu jeder Jahres- zeit. Das ganz zu recht, weil Osttirol hat ein ganz besonderes angenehmes Klima, begünstigt durch die unmittel- bare Nähe zur Adria und den Einfluß des Mittelmeerklimas.

Dadurch weist dieses Gebiet die mei- sten Sonnentage von ganz Österreich auf! Ganz besonders schön ist es im Herbst, denn nun präsentiert sich die Natur in den buntesten Herbstfarben und in der Hochgebirgslandschaft lässt es sich bei den angenehmen herbstlichen Temperaturen herrlich wandern. Also wenn sich der Herbst mit seinen gelbgold- und feuerrot- farbenen Herbstblätter wieder mal ankündigt, ist die Zeit gekommen, die Wanderschuhe aus dem Kasten zu holen und die Wanderwege unsicher zu machen. (Übrigens ist es Wandern alleine nicht, was Osttirol zu bieten hat. Im Winter liefert Osttirol schier unerschöpfliches Angebot an Winter- sportmöglichkeiten.) Dem Bergwan- derer eröffnen sich von hier aus un- zählige Wandermöglichkeiten in almige Täler und felsige Höhen.



Unser heutiger Reiseziel ist die idyl- lische Ortschaft Kals, einer der Berg- steigzentren, die versteckt am Fuße des Großvenedigers liegt, eingebettet in umliegenden Wiesen und Wälder. Die malerischen Holzhäuschen der Nachbarortchaft Großdorf, die eigent- lich mit Kals zusammenhängt, mit üppigen blumenüberfüllten Vorgärten verleihen Kals eine zauberhafte Atmo- sphäre. Wir versuchen zu begutach- ten, welches der Häuschen am schönsten mit Blumen geschmückt ist,

 doch zum Schluss gewinnen alle. Kals ist ein guter Ausgangsort für mehrere Wandertouren, es gibt hier zum Bei- spiel die Kaiser Glocknerstraße, die bis zum Lucknerhaus in 2000 Meter Höhe mit dem Auto befahrbar ist. Von Lucknerhaus kann man zu Fuß in nur fünf Stunden die Erzherzog - Johann Hüte erreichen, die in 3454 m Höhe gelegen ist. Die höchstgelegene Schützhütte Österreichs ist ein idealer Stützpunkt für Glocknerbesteigungen ( etwa eineinhalb Stunden bis zum Gipfel).



Unsere heutige Destination ist ein begehrtes Wanderziel, die Europa-Panorama Straße, mit Kals-Matreier-Törlhaus, einer Berghütte, die in 2207 m Höhe liegt. Von Kalser Nachbarortschaft Großdorf bringt uns die Bergbahn "Glocknerblick" hoch hinauf zur Europa-Panorama-Straße. Vor uns fährt eine Familie mit zwei Kindern und einem Hund, der ebenfalls am Sessel des Sesselliftes brav sein Plätzchen einnimmt und neugierig die Bergwelt um sich herum beobachtet. Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde, einmal müssen wir umsteigen. Während der Fahrt können wir Schaf- und Kuhherden beim Weiden beobachten, begleitet von sanftem Klingen der Glöckchen, das jedes Tier am Hals befestigt hat. Von der neuen oberen Liftstation Blauspitze, die mit einem Restaurant mit Aussichtterasse ausgestattet ist, führen mehrere Wanderwege verschiedener Schwierigkeitsgrade. Interessant ist die leichte Wanderung zum Kals-Matreier Törlhaus. Doch wir nehmen nicht die Panorama Straße, sondern den hundert Meter höher gelegener Kamm der südlichen Granatspitzgruppe. Nach einer Weile kommen wir zu einer Abzweigung, die zur Kendlspitze führt.


Der erste Teil der Strecke, der zum Kamm führt ist ziemlich steil und etwas anstrengend, vor allem für die ungeübten Wanderer, doch die Aussicht lohnt sich, das ganze Bergweltpanorama mit über 60 Dreitausender und seinen imposanten Gletschern liegt einem wie auf der Handfläche. Rechts erstreckt sich die Venediger Gruppe mit Großvenediger, links der Großglockner, umgeben von den Bergspitzen der Schobergruppe. Hier bleiben wir stehen, um die atemberaubende Aussicht zu genießen, dann nehmen wir die südliche Route, die zum Kals-Matreier-Törlhaus führt. Der restliche Teil det Strecke führt dann nur noch geradeaus oder etwas bergab und ist leicht zu bewältigen. Ganz oben am Kamm stoßen wir auf eine Kuh mit Kalb, die sich hier in der schwindelerregenden Höhe den saftig grünen Gras schmecken lassen, ohne ein Hochgebirgszuschlag zahlen zu müssen. Die wärmende Sonne strahlt uns ins Gesicht und leichte Brise sorgt für eine angenehme Erfrischung. Es ist unglaublich still hier, man hört nur das leise Summen der Grillen. Der Weg ist gesäumt mit noch blühenden sommerlichen Alpenblumen, wie zum Beispiel Enzian, Edelweiß oder Arnika. Wie verlockend schön sie auch sein mögen, alle Alpenblumen stehen hier unter Naturschutz, pflücken ist streng verboten, denn schon beim Pflücken einen einzigen Pflanze gehen Tausende Blütensamen verloren.


Hoch über uns dreht ein Steinadler seine Runden, in der Hoffnung auf Beute. Eine wahre Hochgebirgsidylle. Von dem Weg sind auch beide Teile der Panorama Straße sichtbar, die obere und untere, die zu einer Kapelle und zur alten Seilbahn geführt hat. Die alte (untere) Strecke ist um einiges schöner, weil sie durch einen Lärchenwald führt. Nach ungefähr einer Stunde erreichen wir das Kals-Matreier Törlhaus, das um diese Zeit ziemlich belebt ist. Bei einer herzhaften Brettljause genießen wir die strahlende Sonne und die einzigartige ungetrübte Aussicht auf die umliegende Berge: den Großglockner, sowie die bizarren, himmelwärts strebenden Gipfel der Schobergruppe und die schneebedeckten Gipfel der Venedigergruppe. Das Kals-Matreier Törlhaus kann man auch mit dem Auto vom Matrei aus erreichen, doch die Straße ist für die Öffentlichkeit gesperrt, sie ist teilweise so steil, dass man nur mit Vierradantrieb hinaufkommt. Wir könnten hier stundenlang sitzen und das großartige Panorama bewundern, doch wir wollen noch zur Kerschbaumeralm und wieder zurück. Um vier Uhr fährt die letzte Sesselbahn ins Tal. Wir müssen uns beeilen, wenn wir hier nicht über Nacht bleiben wollen. Auf dem Rückweg nehmen wir ab dem Kals-Matreier-Törl den oberen Wanderweg, der sich in unzähligen Kurven windet. Kaum zu glaben, dass wir so eine lange Strecke bewältigt haben. In letzter Minute erreichen wir die Sesselbahn.